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Zweckoptimismus / Kommentar zur Lage von Daimler von Stefan Kroneck

Frankfurt (ots) - Nach den tiefroten Zahlen fürs zweite Quartal übt sich Ola

Källenius in Zweckoptimismus. Mit Blick auf die relativ soliden Konjunkturdaten

aus China hofft der Vorstandschef von Daimler, dass das Tief infolge der

Corona-Pandemie überwunden ist. Wie seine Amtskollegen Oliver Zipse von BMW und

Herbert Diess von Volkswagen setzt der Schwede auf eine rasche Erholung im

asiatischen Riesenreich mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern. Källenius stützt

sich dabei auf die jüngsten verheißungsvollen Pkw-Absatzzahlen im größten

Automarkt der Welt, die eine Wende zum Besseren versprechen nach dem faktischen

Stillstand von Mitte März bis Ende Mai, als zahlreiche Werke ihre Produktion

wegen der Seuche einstellen mussten.

Der Hoffnungsschimmer für die deutschen Autohersteller am anderen Ende der Welt

macht deutlich, wie abhängig ihre Geschäftsmodelle von den kommunistischen

Machthabern in Peking, die auf eine Art planwirtschaftlichen Staatskapitalismus

setzen, sind. Stottert der Wachstumsmotor China, kommen die Topmanager in

Stuttgart, München und Wolfsburg ins Schwitzen. Angesichts dieser Lage ist es

nachvollziehbar, wenn sich Källenius & Co. mit öffentlicher Kritik an den

Herrschern in Chinas Kapitale bedeckt halten: Ob es um Menschenrechte geht oder

um das heikle Thema Hongkong, für die hiesige Autoindustrie gilt: business as

usual.

Trotz verbesserter Aussichten ist die nach außen getragene Zuversicht des

Daimler-Lenkers doch recht trügerisch. In den anderen beiden Kernmärkten Europa

und USA läuft das Geschäft nach wie vor schlecht. Eine mögliche zweite

Viruswelle im Herbst könnte die aufgehellte Stimmung rasch wieder eintrüben -

vor allem an den Börsen, wo die Anleger derzeit jede Nachricht, die mit ihrer

Erwartung übereinstimmt, dass ein Überwinden der Coronakrise alsbald gelingt,

beherzt aufgreifen. In diesem Umfeld kommen ihnen die Daimler-Quartalszahlen

gelegen, obwohl diese in "normalen" Zeiten womöglich einen Kurssturz ausgelöst

hätten. Stattdessen führte die Aktie am Donnerstag mit einem Plus von über 4%

den Dax an.

In dieser (übertriebenen) Euphorie an den Märkten wird die Warnung von

Finanzvorstand Harald Wilhelm ausgeblendet, dass Mehrkosten in Milliardenhöhe

wegen Rechtsstreitigkeiten in Sachen Dieselabgasmanipulationen und aufgrund der

geplanten Einschnitte (inklusive Personalabbau) das Betriebsergebnis zum

Jahresschluss verhageln könnten. Das zeigt, dass Daimler nach dem Horrorjahr

2019 noch lange nicht über den Berg ist.

(Börsen-Zeitung, 24.07.2020)

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