Zu viel sollte man sich von diesem Sechsteiler nicht erwarten, das findet sogar Show-Creator Malcolm Spellman. In einem Interview zum Start der neuen Marvel-Miniserie an diesem Freitag dämpfte der Autor und Produzent vorauseilend die Hoffnung, »The Falcon and The Winter Soldier« könne mit ebenso vielen Mysterien und erzählerischen Neuheiten aufwarten wie »Wandavision«. Seine Serie sei, im Gegenteil, »die Antithese« zu der erfolgreichen Marvel-Sitcom, die so populär und auf Knalleffekt getrimmt war, dass sie zuletzt fast Disneys Streaming-Server in die Knie zwang.
Nach dem »Avengers«-Ehepaar Vision und The Scarlet Witch alias Wanda Maximoff widmet sich »The Falcon and The Winter Soldier« einem weiteren Duo aus der zweiten Reihe des sogenannten Marvel Cinematic Universe (MCU). Die Serie knüpft mit zunächst schwer melancholischen Tönen an den Mega-Blockbuster »Endgame« an, an dessen Ende zwar die vom Superschurken Thanos ausgelöschte Hälfte der Menschheit (und Helden) wiederhergestellt wurde, die Welt aber in einem schlimmen Schock- und Katerzustand hinterließ. Wer nicht in den Dienst zurückkehrte, war bekanntlich der patriotisch grundierte Supersoldat Captain America, er wählte lieber den Ruhestand.
Neue Heroen braucht das Land also, um sich seelisch und moralisch aufzurichten. Zur Verfügung stünden zwei treue, aber auch kriegsmüde Sidekicks des Captains. Da wäre Sam »Falcon« Wilson (Anthony Mackie), der zwar den berühmten Sternenbanner-Schild erbte, aber sich die Rolle (noch) nicht zutraut – und wohl auch damit hadert, ob die Nation für einen schwarzen Captain America bereit ist. Zumindest deutet es die erste Episode an, die der Presse vorab gezeigt wurde. In den Marvel-Comics ist diese Frage übrigens längst geklärt, aber in Zeiten von »Black Lives Matter«-Protesten wegen Rassismus und kontinuierlicher Polizeigewalt gegen Schwarze lohnt es allemal, auf der großen Bühne der US-Massenunterhaltung darüber noch einmal intensiv nachzudenken.
Ein anderer potenzieller Nachfolger ist der sehr alte, künstlich jung gehaltene Weltkriegskamerad des Captains, James »Bucky« Barnes, der als gehirngewaschener »Winter Soldier« jahrzehntelang für die Sowjetunion mordete, bevor er – geläutert, aber gebrochen – den »Avengers« beitrat. Während sein aufrechter Kumpel Wilson sich in Louisiana mit dem drohenden Ruin der Fischerei-Existenz seiner Familie und einem ignoranten Bankangestellten herumplagen muss, versucht Barnes in New York mit seinen diversen posttraumatischen Belastungsstörungen zurechtzukommen – mithilfe einer harschen Therapeutin, aber auch durch amüsant linkische Dating-Versuche mit einer jungen Sushi-Chefin.
Es wird also gleich in der ersten Stunde viel Plot und noch mehr Subtext verhandelt: die aktuelle Armut und Wirtschaftsnot in weiten Teilen der USA ebenso wie die Spaltung des Landes nach dem Albtraum Thanos/Trump und die Sehnsucht nach Heilung und (Kriegs-)Generationen übergreifender Versöhnung. Und dann ist da noch ein aufs allgemeine Chaos aufsattelnder, globaler Terrorismus, der sich, so war bereits zu lesen, wohl alsbald in Person des Nazi-Schurken Baron Zemo (Daniel Brühl) manifestieren wird. Und offenbar spielt auch noch S.H.I.E.L.D-Agentin Sharon Carter (Emily VanCamp) in späteren Episoden eine Rolle – was gut ist, denn Frauen kamen in der Männermelancholie bisher etwas zu kurz. Wie war das, man sollte nicht zu viel erwarten? Genau.
Dass »The Falcon and The Winter Soldier« bei all dem eher auf konventionelle Narrative und Action als auf Finesse setzt, wird ebenfalls gleich zu Beginn deutlich – in einem visuell aufwendigen, James-Bond-artigen Intro mit Falcon, seinem Drohnen-Gehilfen Redwing, explodierenden Hubschraubern, sausenden Gleitschirmen und glücklosen Bösewichten.
Seine Serie sei als klassischer »Two-Hander« angelegt, sagt Showrunner Spellman, ein Buddy-Movie, in dem sich zwei unterschiedlich verkrachte Charaktere zusammenraufen müssen. Also quasi »Lethal Weapon« mit Superhelden statt Cops. Es gibt Schlimmeres.
»The Falcon and the Winter Soldier«: Ab 19. März bei Disney+
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