Wie hat sie das gemacht, ist das wirklich alles neu? Diese Frage wird Fans, Musikkritiker und wahrscheinlich auch Anwälte wohl noch lange beschäftigen. An diesem Freitag hat die US-Popsängerin Taylor Swift, 31, das erste von sechs Alben aus den Anfangsjahren ihrer Karriere in komplett reproduzierter Form neu veröffentlicht.
»Fearless« erschien 2008, gewann den Grammy als Album des Jahres und legte den Grundstein für Swifts Aufstieg zu einem der erfolgreichsten Popstars des vergangenen Jahrzehnts, indem es den noch recht puren Country-Sound ihres Debüts in massenkompatible Popmusik wandelte. Es gehört mit weltweit mehr als 12 Millionen verkauften Exemplaren zu den musikalischen Bestsellern des 21. Jahrhunderts. Hits wie »Love Story«, »You Belong With Me« oder »Fifteen« prägten nicht nur eine heranwachsende Teenager-Generation in den USA, sie zeigten auch erstmals das Talent der damals erst 18-jährigen Sängerin als eine der alsbald besten Songwriterinnen und Pop-Erzählerinnen ihrer Generation.
Im andauernden Kampf um die Veröffentlichungsrechte an ihrer zwischen 2008 und 2018 erschienenen Musik, die inzwischen von Scooter Braun, Manager ihres früheren Labels Big Machine, an einen Investment-Fonds verkauft wurden, entschied Swift vor Kurzem, ihre Erfolgsalben einfach noch einmal aufzunehmen – in der Hoffnung darauf, dass ihre Fans fortan aus Solidarität nur noch ihre Versionen streamen. Viel wichtiger aber noch: Künftige Lizenzierungsanfragen für Filme, Serien oder Werbeclips kann Swift nun wieder selbst bedienen.
Es ist ein Akt der künstlerischen Selbstermächtigung, der in der Pop-Geschichte weitgehend beispiellos ist. Auch der ELO-Musiker und Produzent Jeff Lynne nahm schon einmal alte Songs seiner Band neu auf, die Rockband Def Leppard ebenfalls, im Streit mit Universal Music. Aber eine derart perfekt wirkende Eins-zu-eins-Kopie?
Denn das ist »Fearless (Taylor’s Version)« auf eine verblüffende Art und Weise, bis ins Letzte kurze und kecke Lachen in der Mitte von »Hey Stephen« hinein, das damals so schön zufällig und improvisiert wirkte. Sie konnte wohl nicht wiederstehen, she couldn’t help herself, wie es in der fröhlichen Nummer heißt. Jeder Banjo-Akkord, jede Fiddle, jedes über 13 Jahre leicht angegraut wirkende Produktionsdetail, das nach Modernisierung schreit: All das sitzt wie 2008.
Man kann sich also gut vorstellen kann wie sich Swift-Ultras und Tontechniker in den kommenden Tagen und Wochen über diese Aufnahmen und die Originale beugen werden, um akribisch jedes Detail zu vergleichen, zu messen und zu analysieren, ob nicht doch alte Masterfiles verwendet wurden oder nicht doch ein paar Easter-Eggs für die Fans versteckt wurden.
Glaubt man an Swifts Willenskraft und künstlerische Entschlossenheit, darf man daran getrost zweifeln: Sogar ihre Stimme klingt wieder so jung und unausgeformt, als wäre sie wieder 18 und weniger erfahren im Gesang und im Leben. So erfüllt sich in gewisser Weise, was sie in ihrer schwärmerischen Backfisch-Hymne »Fifteen« damals sang: »Wish you could go back/ And tell yourself what you know now«. Genau das hat Swift getan – und keinen Deut verändert. Es muss großen Spaß gemacht haben, sich aus der Überlegenheit der Älteren heraus derart zur Herrin über ihr Teenager-Ich zu machen.
Wie sich das alles auch hätte anhören können, ging es nicht allein und zweckgebunden um eine technisch einwandfreie Kopie, sondern um eine Re-Imagination, kann man sich beim Hören der sechs bisher unveröffentlichten Songs »from the vault« ausmalen, die ebenfalls auf dieser neuen Version enthalten sind. »Mr. Perfectly Fine«, von dem vermutet wird, es handele von Swifts damaligem Boyfriend Joe Jonas, das Duett »That’s When« mit Country-Star Keith Urban oder »You All Over Me« (mit Maren Morris) sind keine essenziellen Tracks, keine Nuggets, die auf der Original-Veröffentlichung fehlten. Aber Swift singt sie mit ihrer heutigen, erwachsenen Stimme und ließ sie von Jack Antonoff und Aaron Dessner produzieren, die auch für den kristallinen Sound ihrer aktuellen Alben »Folklore« und »Evermore« verantwortlich waren.
Es gibt also doch noch eine interessante Konversation zwischen der älteren, abgeklärten Taylor Swift und ihrer juvenilen, naiveren Gefühlswelt, bei der man neugierig auf ironische Untertöne oder subtiles Amüsement lauscht. Und natürlich bieten die Bonus-Tracks einen Mehrwert, um das rund zwei Stunden lange Gesamtpaket in »Taylor’s Version« noch einmal zu kaufen. Das ist wahrhaftig fearless. Und ziemlich clever.
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