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Kritik zu The French Dispatch: So viel Wes Anderson, wie in 103 Minuten nur hineinpasst - FILMSTARTS.de - filmstarts

An Wes Anderson scheiden sich die Geister: Manche lieben seinen unverkennbaren visuellen Stil, seine bis ins Detail ausgetüftelten Kompositionen, den ganz eigenen Charakter seiner Filme. Andere sind genau davon genervt, halten Andersons Filme für manieriert, selbstverliebt, nur auf Oberfläche bedacht. „The French Dispatch“, der im Wettbewerb von Cannes seine lang erwartete Weltpremiere feierte, könnte nun so etwas wie ein Lackmustest pro oder contra Anderson werden. Denn diesmal verlässt sich der Regisseur von „Moonrise Kingdom“ und „Die Royal Tenenbaums“ noch mehr als sonst auf die typischen Anderson-Elemente, also auf Stil und Skurrilität, während eine übergreifende Geschichte ebenso fehlt wie komplexere Charaktere. Könnte also gut sein, dass diese Hommage an das Intellektuellenmagazin The New Yorker sowie Andersons Wahlheimat Frankreich nur noch für eingefleischte Fans ein echter Leckerbissen ist.

Ennui-sur-Blasé ist ein kleines französisches Dorf, das zugleich Ausmaße wie Paris zu haben scheint. Hier befindet sich die Redaktion des French Dispatch, einem Ableger der Zeitung Liberty, Kansas Evening Star, gegründet von Arthur Howitzer Jr. (Bill Murray). 50 Jahre leitete er das Magazin und ist nun, im Jahre 1975, gestorben. Seine Mitarbeiter erinnern sich an drei große Geschichten aus seiner Karriere, die sich unter anderem um Kunst, Revolution, Essen und Entführung drehen…

Wie alle Filme von Wes Anderson muss man auch diesen wahrscheinlich merhmals ansehen, bevor man all die kleinen Details in der Ausstattung wirklich entdeckt hat.

Das 1925 gegründete Magazin The New Yorker ist längst eine Legende des Journalismus. Endlos lange Reportagen erscheinen hier auch heute noch, ganz gegen die Lesegewohnheiten des Häppchenjournalismus. Autoren wie Hannah Arendt oder James Baldwin veröffentlichten Texte, Pauline Kael schrieb jahrelang brillante Filmkritiken, die Karikaturen und Titelbilder sind absolut ikonisch. Gerade in den Zeiten vor dem Internet, vor der globalen Vernetzung, öffnete der New Yorker für viele Leser*innen in Amerika das Tor zur Welt, zu Ländern und Menschen, die sie nur in den seltensten Fällen persönlich erleben konnten.

Diesem Magazin, das auch nach fast 100 Jahren noch immer allen Widerständen trotzt, widmet Wes Anderson seinen neuen Film – und verknüpft in „The French Dispatch“ eine Hommage an den Journalismus mit einer Liebeserklärung an seine französische Wahlheimat. Frankreich war im Werk des Filmemachers schon oft präsent, „Die Tiefseetaucher“ ist eine Verbeugung vor dem französischen Meeresforscher Jacques Cousteau, der Kurzfilm „Hotel Chevalier“ reinste französische Lebensart – und die existenzialistischen, immer rauchenden und Barett tragenden Figuren gehören ja ohnehin zur Grundausstattung jedes seiner Filme.

Drei Geschichten zum Preis von einer


„The French Dispatch“ besteht nun aus drei Episoden, die wie bebilderte New-Yorker-Artikel wirken. In der ersten spielt Benicio del Toro einen im Gefängnis sitzenden Maler, dessen Wärterin Simone (Lea Seydoux) ihm als Muse und Model für das ihn berühmt machende Bild „Simone, Nackt, Zellblock J, Hobbyraum“ dient. Die zweite Episode ist den 68ern gewidmet und zeigt den Revoluzzer Zeffirelli (Timothée Chalamet), der eine Affäre mit der Reporterin Lucinda Krementz (Frances McDormand) hat, die deshalb mit ihrer journalistischen Integrität hadert. Und schließlich folgt noch eine Episode im Stile eines Policiers (französischer Krimi): Der Sohn des Kommissars (Mathieu Amalric) wird entführt und nur der Koch kann ihn retten.

Gefilmt ist das mit all den Stilmitteln, die Anderson über die Jahre immer weiter verfeinert hat. Es gibt niemanden, bei dem es so leicht ist, den Film seinem Regisseur nur anhand eines einzelnen zufälligen Szenenbildes zuzuordnen – jede einzelne Einstellung ist absolut unverkennbar. Auch in „The French Dispatch“ gibt es wieder bis ins winzigste Detail ausgestattete Räume, aufgeschnittene Häuser, Flugzeuge und Autos, zentrierte Kompositionen, Modellbauten, die einem das Gefühl vermitteln, in eine Puppenwelt hineinzuschauen, selbst wenn Anderson hier anders als in „Der fantastische Mr. Fox“ und „Isle Of Dogs“ nicht mit Marionetten, sondern mit Stars aus Fleisch und Blut gedreht hat.

Egal ob schwarz-weiß oder in Farbe: Hauptsache zentriert! Der Wes-Anderson-Stil ist auch diesmal in jeder einzelnen Einstellung unverkennbar.

Und von diesen bekannten Gesichtern, die selbst in den allerwinzigsten Rollen auftauchen, gibt es diesmal noch mehr als sonst: Neben den schon genannten Stars sind auch noch Owen Wilson, Elisabeth Moss, Tilda Swinton, Saoirse Ronan, Edward Norton, Willem Dafoe, Christoph Waltz, Adrien Brody, Liev SchreiberJeffrey Wright und Jason Schwartzmann in teils sekundenkurzen Auftritten zu sehen. Ein Who’s Who des Wes-Anderson-Filmkosmos, das ein wenig kaschiert, dass der puppenspielende Maestro sich in seinem neunten Film so sehr auf seinen erprobten Stil verlässt wie noch nie.

Konnte man in früheren Filmen des Regisseurs unter den ästhetischen zunehmend ausgefeilten Oberflächen immer noch Geschichten und Charaktere finden, die von der Schwierigkeit des Miteinanders, vom Charme des Ungewöhnlichen erzählten, besteht „The French Dispatch“ aus zwar kurzweiligen, aber nicht wirklich tiefgehenden Vignetten. Die sind zwar perfekt komponiert, von einer enormen Zitierfreude geprägt und ein wahres Kaleidoskop von französischer Lebensart und Kultur, bleiben aber trotzdem immer an der detailwütigen künstlichen Oberfläche.

Fazit: Stilistisch bleibt sich Wes Anderson auch in „The French Dispatch“ bis ins manierierte Detail treu, verzichtet in seiner amüsant-skurrilen Hommage an das Intellektuellenmagazin The New Yorker und seine Wahlheimat Frankreich diesmal aber auf Subtexte und komplexe Figuren. Ein waschechter Anderson vor allem für eingefleischte Anderson-Fans.

Wir haben „The French Dispatch“ auf dem Filmfestival in Cannes gesehen, wo er als Teil des offiziellen Wettbewerbs gezeigt wurde.

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