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Nobelpreisträger Shiller: Eine Analyse der unlogischen Aktienmarkt-Entwicklung während Corona - finanzen.net

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• US-Aktienmarkt von Fundamentaldaten abgekoppelt
• Robert Shiller verweist auf Psychologie
• Die drei Markt-Phasen während der Corona-Krise

Anthony Fauci, Regierungsberater und einer der führenden US-Gesundheitsexperten, hat die Corona-Situation in den USA vor einigen Tagen als "wirklich nicht gut" bezeichnet und beklagt, einige Bundesstaaten hätten sich zu früh geöffnet. Die Zahlen scheinen ihm recht zu geben: In den USA haben sich bereits über drei Millionen Menschen mit dem Corona-Virus infiziert und über 130.000 Infizierte sind an der COVID-19-Erkrankung gestorben. Besorgniserregend ist dabei, dass die Zahl der Neuinfektionen in den USA erst vor einigen Tagen auf einen Rekordwert geklettert ist.

Aktienmarkt zuletzt freundlich

Doch der US-Aktienmarkt scheint sich von dieser erschreckenden Entwicklung völlig losgelöst zu haben. Trotz der ungebremsten Corona-Pandemie, trotz des Wirtschaftseinbruchs und trotz historisch hoher Arbeitslosenzahlen geht es für den S&P 500, der den breiten US-Aktienmarkt widerspiegelt, kräftig nach oben.

Robert Shiller hat untersucht, wie es zu dieser Divergenz kommt und erklärte sie laut "MarketWatch" mit der Psychologie der Massen: Da die meisten Menschen die Bedeutung von Gesundheits- und Wirtschaftsnachrichten gar nicht richtig einordnen könnten - insbesondere in Zeiten von Misstrauen gegenüber den Medien - würden sie ihre Investitionsentscheidungen vielmehr danach treffen, wie sie annehmen, dass sich andere Investoren verhalten.

Basierend auf dieser psychologischen Betrachtungsweise kam der an der renommierten Yale-Universität tätige Wirtschaftsnobelpreisträger zu dem Schluss, dass die US-Börsen seit Beginn der Corona-Pandemie drei Phasen durchlaufen haben: Verleugnung, Angst und FOMO (Fear of missing out).

Verleugnung

Bereits am 30. Januar 2020 hat die Weltgesundheitsorganisation WHO die Ausbreitung des Virus zu einer "gesundheitlichen Notlage von internationaler Tragweite" erklärt. Trotzdem konnte der S&P 500-Index in den nächsten 20 Tagen noch um drei Prozent zulegen und erreichte am 20. Februar sogar ein Rekordhoch von 3.393,52 Zählern.

Shiller führt diese Gleichgültigkeit der US-Börsen zum einen darauf zurück, dass es sich hierbei um ein für die Anleger völlig unbekanntes Ereignis handelte, mit dem sie keine Erfahrung hatten. Immerhin war die letzte vergleichbare Situation die Grippe-Pandemie in den Jahren 1918 bis 1920.

Zudem wurde den Nachrichten aus China zu dem neuartigen Virus auch nur geringe Beachtung geschenkt. Selbst die WHO gab der durch das neuartige Virus verursachten Lungenkrankheit erst am 11. Februar einen Namen: COVID-19. Eine Bedrohung der USA wurde in diese Zeit anscheinend nur als hypothetisch eingeschätzt. Stattdessen bestimmten andere Themen die Schlagzeilen, etwa das Amtsenthebungsverfahren gegen US-Präsident Donald Trump.

Angst

Erst ab Mitte Februar dominierte die Pandemie das Marktgeschehen. So brach der S&P 500-Index zwischen dem 19. Februar und dem 23. März um 34 Prozent ein.

Zwar gab es bis Mitte Februar nur wenige Corona-Tote außerhalb Chinas, doch sorgte laut Robert Shiller eine Konstellation verschiedenster zusammenhängender Nachrichten dafür, dass Corona eine stärkere Beachtung der Marktteilnehmer fand.

So wurde etwa am 17. Februar über einen Ansturm auf Toilettenpapier in den Geschäften Hongkongs berichtet. Die Nachricht wurde zwar belächelt, wurde aber als Witz weit verbreitet. Damit war zumindest das Interesse für das Corona-Thema geweckt und in den folgenden Wochen wurden Suchbegriffe wie "Pandemie" oder "Coronavirus" im Internet stark abgefragt. Die Anleger wurden besorgt, was dies wohl für ihre Investments bedeutet.

Schließlich setzte die Angst bei den Marktteilnehmern ein, begleitet von Nachrichten über die schwerwiegenden Folgen des Lockdowns in China für die Menschen und Geschäfte. Dann breitete sich das Virus auch nach Italien aus. Berichte über das völlig überlastete italienische Gesundheitssystem machten die Runde und drückten die Stimmung an den Börsen erheblich, bis sogar Vergleiche mit der Großen Depression der 1930er Jahre kursierten.

FOMO: Fear of missing out

Am 23. März 2020 hat die US-amerikanische Notenbank angekündigt, ab jetzt unbegrenzt Staatsanleihen und bestimmte mit Hypotheken besicherte Wertpapiere aufzukaufen, soweit dies für das ordnungsgemäße Funktionieren von Finanzmärkten und Geldpolitik erforderlich sei. Bereits zuvor hatte die Fed starke Zinssenkungen und ein Anleihekaufprogramm beschlossen, um die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise einzudämmen. Zusätzliche Hilfe für die Wirtschaft kam zwei Tage später durch billionenschwere fiskalpolitische Stimulierungsmaßnahmen seitens US-Präsident Trump.

Dies markierte nach Meinung des US-Nobelpreisträgers den Beginn der dritte Phase. Die Maßnahmen der Fed und des Weißen Hauses, in Verbindung mit ähnlichen Schritten in weiteren Ländern wurden an den Märkten positiv aufgenommen.

Zwar wüssten die meisten Menschen gar nicht, was die Hilfspakete der Fed und der Regierung genau beinhalten, jedoch hätten sie laut Shiller das Empfinden, dass die Maßnahmen jenen ähneln, die in Zusammenhang mit der Krise in 2008/09 ergriffen wurden. Und weil sie damals erfolgreich waren, sei man auch dieses Mal optimistisch. Inzwischen habe sich sogar die Besorgnis durchgesetzt, nicht in vollem Umfang am erwarteten Aufschwung partizipieren zu können (FOMO). Die Anleger wollen also später nicht bereuen, dass sie sich nicht rechtzeitig zum Tiefpunkt an den Aktienmarkt zurückgewagt haben. So erklärt der Wirtschaftsnobelpreisträger die Tatsache, dass der S&P 500 seit dem 23. März wieder um über 40 Prozent zulegen konnte.

Redaktion finanzen.net

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Bildquellen: Wendy Carlson/Getty Images




July 18, 2020 at 04:22AM
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